
Lila Kuh gegen Quadratschokolade
Quadratische Verpackung „Ritter Sport“ bleibt für Tafelschokolade als Marke geschützt
Eine Analyse der BGH-Beschlüsse vom 23. Juli 2020 (I ZB 42/19 und I ZB 43/19)
von Philipp Weisgerber, Rechtsanwalt bei Müller, Altmeyer und Partner Rechtsanwälte
Bleibt die quadratische Verpackung für Schokolade, welche von der Alfred Ritter GmbH & Co. KG für die Ware „Tafelschokolade“ als Marke eingetragen wurde erhalten oder ist diese zu löschen?
Mit dieser Frage musste sich der Bundesgerichtshof befassen und kam am 23.07.2020 zu dem Ergebnis: Die allseits bekannte Verpackungsform für quadratische Schokolade bleibt auch weiterhin markenrechtlich geschützt.
Sachverhalt:
Was war geschehen? Die Alfred Ritter GmbH & Co. KG ist seit 1996 und 2001 Markeninhaberin zweier dreidimensionaler Marken(„Ritter Sport“ und „Ritter Sport Minis“), welche für die Warenklasse 30 der Nizza-Klassifikation als „Tafelschokolade“ eingetragen sind. Charakteristisch für die Verpackung ist dabei neben der quadratischen Grundform der Tafel auch die zwei an den Seiten angebrachten Verschlusslaschen und die Verschlusslasche in der Mitte der Rückseite der Verpackung, welche das „Aufbrechen“ und Teilen der Tafel in 2 Hälften ermöglicht.
Mondelez International, Markeninhaber des „Ritter Sport“ Konkurrenten „Milka“ versuchte hierbei in einem mehr als 10 Jahre andauernden Rechtsstreit immer wieder die 3-D Marke Ritter Sport löschen zu lassen.
Zunächst beantragte Mondelez International die Löschung der beiden Marken beim Deutschen Patent- und Markenamt. Ohne Erfolg. Die daraufhin eingelegte Beschwerde seitens Mondelez zeigte Wirkung – das Bundespatentgericht ordnete die Löschung der beiden Marken an (Beschluss vom 4.11.2016, 25 W (pat) 78/14). Das Bundespatentgericht nahm damals an, dass die eingetragenen Marken gemäß § 3 II Nr.1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen seien, da die Form der Verpackung durch die Art der Ware selbst bedingt sei. Dagegen legte wiederum die Markeninhaberin Rechtsbeschwerde beim Bundesgerichtshof ein. Dieser entschied am 18.10.2017 (I ZB 105/16; I ZB 106/16) im Sinne der Alfred Ritter GmbH & Co. KG, hob die Entscheidung des Bundespatentgerichtes auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an dieses zurück. Zur Begründung führte der BGH aus, dass im vorliegendem Fall das Schutzhindernis des § 3 II Nr.1 MarkenG gerade nicht erfüllt sei, das BPatG sich jedoch mit der Frage auseinandersetzen müsse, ob die angegriffenen Marken nicht dem Schutzhindernis des § 4 II Nr.3 MarkenG zuwiderlaufen.
Nach § 4 II Nr.3 MarkenG sind dem Markenschutz Zeichen nicht zugänglich, die ausschließlich aus Formen oder anderen charakteristischen Merkmalen bestehen, die der Ware einen wesentlichen Wert verleihen.
Zum zweiten Mal musste sich daher das Bundespatentgericht mit der Frage beschäftigen und entschied im Sinne von „Ritter Sport“. Es wies die Beschwerden der Antragstellerin ab und verneinte das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 II Nr.3 MarkenG (Beschlüsse vom 13.12.2018, 25 W (pat) 78/14).
Hiergegen legte wiederum Mondelez International Rechtsbeschwerde beim BGH ein. Dieser hat den Rechtsstreit nun (wohl) abschließend entschieden.
Die Entscheidung des BGH vom 23. Juli 2020 (I ZB 42/19 und I ZB 43/19)
Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsbeschwerde zurückgewiesen und den Löschungsanträgen damit wohl endgültig die rechtliche Substanz entzogen.
Dabei nutzte der BGH dieses Verfahren, um die von ihm bereits in früheren Verfahren aufgestellten Voraussetzungen des § 4 II Nr.3 MarkenG weiter zu präzisieren.
Wichtige Beurteilungskriterien, die zur Beantwortung der Frage des wesentlichen Wertes einer Marke herangezogen werden müssten, seien die Art der entsprechenden Warenkategorie, der künstlerische Wert der Form der Verpackung, der Unterschied im äußeren Erscheinungsbild im Vergleich zu anderen Marken ähnlicher Produkte, ein vor allem auf das äußere Erscheinungsbild ausgerichtetes Marketing, sowie der Preisunterschied zu gleichartigen Produkten.
Das Eintragungshindernis sei nur dann erfüllt, wenn aus objektiven und verlässlichen Gesichtspunkten hervorgeht, dass die Entscheidung zum Kauf des Produktes durch die Verbraucher in hohem Maß gerade durch das wesentliche Merkmal (hier durch die Form der Marke) beeinflusst sei.
Genau diese Voraussetzung sah der BGH in der vorliegenden Entscheidung jedoch nicht als gegeben an.
Nach Ansicht des BGH sei das einzig wesentliche Merkmal der Verpackung, welche als dreidimensionale Marke eingetragenen ist, ihr quadratischer Grundriss. Diese Form verleihe jedoch der Schokolade gerade keinen, wie es für § 4 II Nr.3 MarkenG Voraussetzung ist, wesentlichen Wert. Zum einen sei eine quadratische verpackte Schokolade nicht als so außergewöhnlich anzusehen, dass alleine daher dieser Form eine wertsteigernde künstlerische Bedeutung zukomme. Zum anderen entstehe durch die Form der Verpackung kein deutlicher Preisunterschied in Bezug auf andere vergleichbare Schokoladen-Produkte.
Auch das von der Alfred Ritter GmbH & Co. KG gerade auf die äußere Erscheinungsform zugeschnittene Marketing, welches sich in dem bekannten Werbeslogan „Quadratisch. Praktisch. Gut.“ wiederfindet rechtfertige, so der BGH, keine andere Entscheidung.
Fazit:
Der Bundesgerichtshof hat mit den hier gefassten Entscheidungen im Bereich der Dreidimensionalen Marken das Rad sicherlich nicht neu erfunden.
Die in dieser Entscheidung aufgestellten Abwägungs- und Beurteilungskriterien werden jedoch gerade in zukünftigen gerichtlichen Verfahren und Verfahren vor dem DPMA sicherlich wiederzufinden sein und schaffen ein Mehr an Rechtssicherheit und die Möglichkeit einer besseren Risikoabschätzung für Rechtsanwender und Markeninhaber. Die Zurückweisung der Löschungsbegehren kann dabei gleichwohl als ermutigendes Signal zur Eintragung von 3-D Marken an Produktinhaber mit von der „Norm“ abweichenden Verpackungen verstanden werden, die bisher von einer Eintragung aus Angst vor Löschungsverfahren abgesehen haben.
Im Endeffekt wird jedoch weiterhin für jede Verpackung gesondert zu prüfen sein, ob die Voraussetzungen einer Eintragung vorliegen oder nicht. Als Blaupause für jegliche Anmeldung einer Verpackung als dreidimensionale Marke ist die Entscheidung über „Ritter-Sport“ daher nicht anzusehen.